Definition: Kanner-Syndrom

Der frühkindliche Autismus, eine Form des Autismus, die nach dem ICD-10 vor dem dritten Lebensjahr beginnt, wird von der Weltgesundheitsorganisation zu den tiefgreifenden Entwicklungsstörungen gerechnet. Er tritt mit einer Häufigkeit von 1:1000 auf, wobei das Verhältnis männlicher zu weiblichen Erkrankten 3:1 beträgt.

Der frühkindliche Autismus ist auch unter den Bezeichnungen Kanner-Syndrom, Kanner-Autismus oder infantiler Autismus bekannt. Er wurde zuerst von Leo Kanner beschrieben. Kanner diagnostizierte 1943 bei elf Kindern eine „Autistische Störung des affektiven Kontakts“.

Die nachfolgende Definition zum frühkindlichen Autismus ist der ICD – 10 Klassifikation zum großen Teil zu entnehmen. 

 

F84.-

Tief greifende Entwicklungsstörungen

 

Info.:

Diese Gruppe von Störungen ist gekennzeichnet durch qualitative
Abweichungen in den wechselseitigen sozialen Interaktionen und
Kommunikationsmustern und durch ein eingeschränktes, stereotypes,
sich wiederholendes Repertoire von Interessen und Aktivitäten.
Diese qualitativen Auffälligkeiten sind in allen Situationen ein
grundlegendes Funktionsmerkmal des betroffenen Kindes.
Sollen alle begleitenden somatischen Zustandsbilder und eine
Intelligenzminderung angegeben werden, sind zusätzliche
Schlüsselnummern zu benutzen.

F84.0

Frühkindlicher Autismus

 

Info.:

Diese Form der tief greifenden Entwicklungsstörung ist durch eine
abnorme oder beeinträchtigte Entwicklung definiert, die sich vor
dem dritten Lebensjahr manifestiert. Sie ist außerdem
gekennzeichnet durch ein charakteristisches Muster abnormer
Funktionen in den folgenden psychopathologischen Bereichen: in der
sozialen Interaktion, der Kommunikation und im eingeschränkten
stereotyp repetitiven Verhalten. Neben diesen spezifischen
diagnostischen Merkmalen zeigt sich häufig eine Vielzahl
unspezifischer Probleme, wie Phobien, Schlaf- und Essstörungen,
Wutausbrüche und (autodestruktive) Aggression.

 

Inkl.:

Autistische Störung
Frühkindliche Psychose
Infantiler Autismus
Kanner-Syndrom

 

 

Diagnostische Kriterien nach ICD 10

 

Frühkindlicher Autismus

  1. Qualitative Beeinträchtigung wechselseitiger sozialer Aktionen (z.B. unangemessene Einschätzung sozialer und emotionaler Signale; geringer Gebrauch sozialer Signale; nonverbales Verhalten, Kontaktverhalten, Empathie, geteilte Freude, sozioemotionale Gegenseitigkeit)
  1. Qualitative Beeinträchtigungen der Kommunikation (z.B. Fehlen eines sozialen Gebrauchs sprachlicher Fertigkeiten; Mangel an emotionaler Resonanz auf verbale und nonverbale Annährungen durch andere Menschen; Veränderungen der Sprachmelodie,  Verzögerung oder Ausbleiben der Sprachentwicklung, Störung der wechselseitigen Kommunikation, pedantische Sprache, fehlendes Verständnis sozialer Regeln in der Kommunikation
  1. Eingeschränkte Interessen und stereotype Verhaltensmuster (z.B. Starre und Routine hinsichtlich alltäglicher Beschäftigungen; Widerstand gegen Veränderungen, motorische Stereotypien, sensorische Besonderheiten, spezielle Interessen, ungewöhnliche Beschäftigungen, Zwänge, Rituale
  1. Unspezifische Probleme wie Befürchtungen Phobien, Schlaf- und Essstörungen, Wutausbrüche, Aggressionen, Selbstverletzungen
  1. Manifestation vor dem 3. Lebensjahr

 

 

Innerhalb der Gruppe der autistischen Störungen werden folgenden Subtypen

unterschieden:

  • Der frühkindlicher Autismus (F84.0/Kanner Syndrom)
  • Der atypische Autismus (F84.1)
  • Das Asperger Syndrom (F84.5)

 

Die drei Subtypen werden unter „Autismus-Spektrum-Störungen“ zusammengefasst.

 

Unser Hauptaugenmerkmal liegt hier jedoch im speziellen beim „frühkindlichen Autismus“.

Der frühkindliche Autismus ist charakterisiert durch erhebliche Sprachentwicklungsstörungen und durch eine hohe Variabilität der kognitiven Entwicklung. Für alle Subtypen gilt, dass die Störung früh beginnt (vor dem 36. Lebensmonat) und einen stetigen Verlauf zeigt. Trotz des sehr frühen Beginns, wird die Diagnose spät gestellt. Bei den Kindern mit der Diagnose eines frühkindlichen Autismus vom Kanner-Typ wird die Diagnose um das 6. Lebensjahr gestellt, bei den Kindern mit der Diagnose eines Asperger Syndroms um das 12. Lebensjahr.

 

Die Gründe für diese späte diagnostische Zuordnung sind verschieden:

  1. Die sichere diagnostische Zuordnung vor dem 4. Lebensjahr ist erschwert, weil die

                diagnostischen Kriterien ein gewisses kognitives und sprachliches

                Entwicklungsniveau voraussetzen, bevor bestimmte Problembereiche sicher

                identifiziert werden können.

 

  1. Es gibt wenig Studien, die das Verhalten von jungen autistischen Kindern in den

                 ersten drei Lebensjahren beschreiben.

 

  1. Der frühkindliche Autismus ist eine seltene Störung. Kinderärzte, die bei diesen

                jungen Kindern die primären Ansprechpartner sind, haben oft wenig Erfahrung mit

                dem Störungsbild, und es gibt kaum Instrumente, die innerhalb einer Kinderarzt-

                Praxis als Screening-Verfahren eingesetzt werden können.

 

  1. Es gibt Verwirrung über die Einschätzung der Symptomatik: Oft wird angenommen,

 dass autistische Kinder jeglichen Kontakt abwehren (so wird z. B. als typisches Merkmal das  Fehlen  jeglichen  Blickkontakts beschrieben). Es ist vielmehr so, dass ihre soziale Ansprechbarkeit und Reaktionsfähigkeit in typischer Weise von der unauffälliger Kinder abweicht.

 

 

Die Häufigkeit der autistischen Störungen ist größer als bisher angenommen. Die neuesten Prävalenzraten liegen bei 60/10.000 für alle Störungen innerhalb des Spektrums. Neuere Angaben liegen auch für den Bereich der Intelligenz vor: ging man früher davon aus, dass drei Viertel aller Menschen mit autistischen Störungen eine geistige Behinderung vorweisen, so stellt man heute fest, dass bei etwa der Hälfte dieser Menschen eine Intelligenz im Normbereich oder im Bereich der

Lernbehinderung vorliegt.

 

Etwa 25 – 50 % der Patienten leiden zusätzlich an einer geistigen Behinderung

Meist besteht eine gewisse kognitive Beeinträchtigung, die Störungen sind jedoch durch das Verhalten definiert, das nicht dem Intelligenzniveau des Individuums entspricht, sei dies nun altersentsprechend oder nicht

Es ist also nicht immer einfach die schwere der geistigen Beeinträchtigung festzulegen. Somit besteht immer die Gefahr unsere autistischen Menschen entweder zu über- oder zu unterfordern. Wir könnten uns vorstellen, dass der autistische Mensch aufgrund seiner Überempfindlichkeit gegenüber seiner Umwelt nicht in der Lage ist seiner Intelligenz nach zu handeln und ein Gefangener seiner selbst ist. Diesem Gedankengang entsprechend muss es für den Autisten sehr mühsam und frustrierend sein, wenn seine Umwelt die Signale seiner Intelligenz nicht erkennt und ihn nur nach seinem negativ/abnormen Verhalten fälschlicherweise „in eine Schublade“ schiebt. Es ist also nicht abwegig zu denken, dass durch diese Erkenntnis eine hohe Frustration bis hin zur Aggression gegen sich selbst (in die Händen beißen, den Kopf gegen die Wand schlagen oder andere Körperteile, sich selbst kratzen o.ä.) bis hin zur eskalierenden Fremdaggression gegen Gegenstände oder auch Menschen (kneifen, kratzen, beißen, Möbel umwerfen, Teller/Tassen werfen etc.) eintreten kann.

 

„Frühkindlicher Autismus: 0,2 – 0,35 %

Frühkindlicher Autismus ist eine relativ selten vorkommende Beeinträchtigung. Von 10.000 Menschen leiden 20 – 35 darunter, dabei sind Jungen drei – viermal häufiger betroffen als Mädchen.“ Quelle: (foerderung.bildung-rp.de/behinderung/autismus) 7.10.2013

 

 

 

Quellen:

Noderdaeme, M. (2013). Vereinigung zur Förderung von autustischen Kindern, Jugendlichern und Erwachsenen. Online im Internet: https://www.autismus-oberbayern.de/downloads/Frueherkennung_autistischer_Stoerungen.pdf  Abrufdatum: 21.10.2013

 

Krollner, B., Krollner, D. (2013). ICD und OPS Code Suche. Online im Internet: https://www.icd-code.de/icd/code/F84.0.html  Abrufdatum: 7.10.2013

 

Berufsverband Deutscher Neurologen e.V. (BDN) (2013). Neurologen und Psychiater im Netz, ihre Experten für Psyche und Nerven. Online im Internet: neurologen-und-psychiater-im-netz.de  Abrufdatum:  7.10.2013

 

Schaub, A. (2013). Individuelle Förderung als Auftrag aller Schularten. Online im Internet: foerderung.bildung-rp.de/behinderung/autismus  Abrufdatum: 

7.10.2013